Marantz-Pianocorder Systembeschreibung

Nachdem im letzten Beitrag der Bau eines Pianocorder Vorsetzers beschrieben wurde, vermitteln folgende Zeilen die Funktion und meine (noch jungen) Erfahrungen über das Kassettengerät, die Bänder und MIDI.

Die Funktion
Zu Beginn möchte ich gleich festhalten, dass das Pianocordersystem auch eine Aufnahmemöglichkeit bietet. Diese Einrichtung ist bei mir nicht vorhanden, da ich erstens nicht Klavier spielen kann und man zweitens heute ein nuanciertes Spiel mit modernen Keyboards aufzeichnen kann, was die Aufnahmemöglichkeiten eines Pianocorders übertrifft. In diesem Beitrag wird das Aufnahmesystem also nicht beschrieben. Aus dem Blockschaltbild geht hervor, dass die 80 Tastenmagnete von drei Treiberplatinen angesteuert werden. Pro Treiberplatine sind die Adressbausteine und pro Tastenmagnet ein Leistungstransistor vorhanden. Die Steuerplatine decodiert die Signale des Kassettengerätes und sendet die decodierten Signale an die Treiberplatinen weiter. Auch steuert sie über Adressbausteine via das Netzgerät die Pedalmagnete an. Zu erwähnen ist, dass es sich hier nicht um eine computergesteuerte Elektronik handelt, sondern um eine Echtzeitaufnahme der Signale auf ein Kassettenband. Lässt man das Band also langsamer laufen, so spielt das Klavier auch langsamer wie wenn man die Rolle im Klavier langsamer spielen lässt. Anstelle der Löcher im Papier sind hier einfach Signale auf dem Band. Das Netzgerät liefert die Niederspannungen für die digitalen Bausteine und die 170 Volt Gleichspannung für die Magnete, wobei dafür die in Amerika gebräuchliche 110 Volt Netzspannung  ohne Transformator direkt gleichgerichtet wird. Da bei uns aber 220/230 Volt üblich sind, muss sowieso ein Transformator davor geschaltet werden und dadurch wird das Hantieren etwas ungefährlicher. Aufpassen muss man nur, dass man keinen Autotrafo erwischt, dieser wäre dann nicht galvanisch getrennt! Die Tastenmagnete werden mit 200 Hz Impulsen angesteuert. Kurze Impulse und lange Impulspausen ergeben dadurch einen leisen Anschlag, lange Impulse und kurze Impulspausen ergeben einen lauten Anschlag. Auch die Pedalmagnete werden auf diese Art gesteuert, wobei die Druckstärke mit einem Regler einreguliert werden kann und bleibt dann immer gleich.

Blockschaltbild
Kassettengerät
Das Kassettengerät läuft mit doppelter Geschwindigkeit als üblich, also mit 9.5 cm pro Sekunde. Verwendet werden 90 Minuten Bänder das ergibt nur 45 Minuten Spieldauer. Mit einem Regler kann die Abspielgeschwindigkeit verstellt werden. Auch die Grundlautstärke kann eingestellt werden ebenso wie leise das Klavier spielen soll bei piano Passagen. Ein Schalter um das linke Pedal auszuschalten ist auch vorhanden.  Neben dem Kassettenfach ist ein Rädchen montiert mit welchem der Tonkopf in einem gewissen Bereich in der Höhe verstellt werden kann. Man sieht also, dass das System schon gewisse Anforderungen an die Uebertragungsqualität stellt. Die decodierten Signale sind auf dem Band mit zwei Frequenzen 2.25 Kiloherz und 4.5 kHz aufgezeichnet. Das ist eigentlich nicht mehr als ein gewöhnlicher Telefonapparat überträgt. Aus diesem Grunde habe ich mir überlegt, ob man diese Bänder nicht auf den PC laden und im mp3 Format abspeichern könnte, damit weniger Speicherplatz benötigt wird. Dies als Sicherung, da die Qualität der Aufzeichnungen mit der Alterung der Bänder abnimmt. Leider hat dieser Versuch fehlgeschlagen. Aufnehmen hat funktioniert, aber nach der Konvertierung gab es „Misstöne“. Beim genaueren Betrachten hat sich herauskristallisiert, dass das Problem beim Uebergang der 2.25 kHz Frequenz zum 4.5 kHz Ton liegt. Dieser Uebergang muss genau abgebildet sein, damit das Kassettengerät daraus schöne Rechteckimpulse erzeugen kann (Bild Oszillogramm).

MIDI und Kassetten
Unser Mitglied, Fred Gerer, hat mich auf die Homepage von Mark Fontana, www.pianocorder.info, aufmerksam gemacht. Das ist nun eine wahre Fundgrube was MIDI anbelangt. Dort findet man tausende Files von eingescannten Welte-, Ampico-, 88er- und anderen Rollen, sowie weiteren MIDI-Files. Mark Fontana hat auch ein Computerprogramm entwickelt mit welchem diese MIDI-Files auf dem Pianocorder abgespielt werden können mittels einer Adapter-Kassette.

Adapterkassette
Diese Kassette kann für wenig Geld in einem Elektronikshop erworben werden. Darin enthalten ist lediglich ein Tonkopf. Legt man sie in den Recorder ein, so ist Tonkopf auf Tonkopf und die Signale werden induktiv übertragen. Das Anschlusskabel dieser Adapter-Kassette wird am PC Line Ausgang eingesteckt. Ich habe dies ausprobiert und es hat auf Anhieb funktioniert inkl. Pedalsteuerung. Das Pianocordersystem wurde später von Yamaha übernommen und auch diese MIDI- Files sind spielbar.
Ich selber möchte eigentlich keinen PC bei meinem Pianocorder Vorsetzer deponieren, sondern einfach eine Kassette einlegen und Musik hören. Hat man Zugriff auf Kassettenbänder von Kollegen und möchte diese kopieren oder auf den PC laden, so kann folgende Schaltung nachgebaut werden. Mit dieser einfachen Schaltung, welche natürlich entsprechend angepasst oder erweitert werden kann, ist folgendes zu bewerkstelligen:
 
•    Ueberspielen von einem Kassettengerät auf ein anderes, wenn zwei vorhanden sind.
•    Ueberspielen von einem Kassettengerät auf den PC und zurück.
•    Aufnahmen von MIDI- Files aus dem Internet, welche mit dem Computerprogramm von Mark Fontana decodiert wurden auf das Kassettengerät.

Schema
Verbindet man den NF-Eingang mit dem Line Ausgang des PC so misst man ca. 150 mV Wechselspannung am Eingangskondensator. Diesen Wert  sollte man erreichen mit den Windowseinstellungsangaben von Mark Fontana, seinem entwickelten Programm Winamp und Windows XP. Da der Eingang dieser Schaltung mono ist, verwendet man nur einen Draht. Drähte nicht zusammenschalten, dies ergibt eine Dämpfung! Möchte man ganz sicher sein, dass der Pegel in Ordnung ist, so betrachtet man das Ausgangssignal mit einem KO und es sollte aussehen wie auf dem Oszillogramm.

Oszillogramm

Das Problem 200 Hz Ton
Wie in meinem letzten Artikel beschrieben besteht das Problem, dass die Magnete, welche mit 200 Hz angesteuert werden, diesen Ton hörbar machen, wenn die Tasten auf die Filzdruckscheiben gedrückt werden. Ich habe darum bei meinem Klavier auf folgende Justierung geachtet: Die Spieltiefe an die obere Grenze (10mm) genommen und die Ueberhöhung der schwarzen Tasten auf genau 2mm eingestellt. Mit diesen Einstellwerten ist dieses Problem weitgehend eliminiert. Betreibt man den Vorsetzer an einem pneumatischen Klavier mit Untereinbau bei welchem sich die Tasten bewegen ist die Justierung der Tasten besonders heikel, da die Tasten hinten auch einen Anschlag besitzen. Hier muss die Taste auf der Vorderdruckscheibe und hinten genau gleich stark aufliegen.

Schlussbetrachtung
Ich bin mit diesem Marantz System sehr zufrieden. Musik gibt es in grosser Menge dazu, doch eigentlich gefallen mir hauptsächlich Operettenmelodien und alte Schlager und gerade in dieser Hinsicht ist das Angebot eher klein. Für Freunde amerikanischer Musik, Musicals, Jazz und klassische Titel ist dieses System sehr empfehlenswert. Für Spezialisten ist es auch möglich ein Musikstück nach seinem eigenen Geschmack Note für Note in ein Musikprogramm einzugeben. Das funktioniert sicher, doch klingen würde das dann eher „unkünstlerisch“ und man wäre vermutlich enttäuscht. Doch erlauben sie mir einen Jules Verne Ausblick: vielleicht erfindet in Zukunft jemand ein Programm mit einem Algorithmus mit dessen Hilfe man selbst erstellte Midi Files bearbeiten kann damit es klingt, wie wenn Arthur Rubinstein oder Wilhelm Backhaus oder andere Pianisten am Klavier sitzen würden, wer weiss !
Wenn jemand Ersatzteile für seinen Pianocorder sucht, kann er sich bei mir melden, ev. kann ich den Wunsch weiterleiten.


                            März 2013, Hans Kunz.