Funktion der Betonungseinrichtung in einem pneumatischen Klavier
Jeder von uns, der schon aufmerksam dem Spiel eines gut restaurierten pneumatischen Klaviers oder Orchestrions zugehört hat, der hat sich vielleicht gefragt, wie funktioniert eigentlich die Einrichtung, die das Klavier lauter oder leiser ertönen lässt!
Anhand einer Betonungseinheit für ein Philipps Pianella F möchten wir hier diese Funktion einmal betrachten. Grundsätzlich regulieren alle diese Einheiten von Aeolian bis Welte ähnlich. Von aussen sieht man hauptsächlich einen Balg an einer starken Feder und einen Steuerbalg. Wird die Lautstärke zum Beispiel bei einem Pianola von Hand eingestellt, so wird der Steuerbalg durch einen Hebel ersetzt. Beim Steuerbalg allerdings liegen die grossen funktionellen Unterschiede. Während bei einem Welte Mignon jede Zwischenstellung des Steuerbalges von der Rolle her eingestellt wird, so haben wir es hier bei dieser Philipps Betonung mit der einfachsten Variante zu tun. Der Steuerbalg hat hier nur zwei Stellungen. Entweder ist er angezogen oder er ist abgefallen. Lediglich die Zeit, wie lange es dauert bis dieser Steuerbalg angezogen oder abgefallen ist, kann mit einer Schraube eingestellt werden. Die Rolle hat also nur zwei Steuerlöcher für diese Betonungseinheit, nämlich Betonung an und Betonung ab. Der Steuerbalg sollte sich bei Philipps Instrumenten langsam bewegen, damit ein Crescendo-Decrescendo Effekt erzielt werden kann. Beobachtet man beim Spiel die beiden Spuren Betonung an und ab, so kann man feststellen, dass diese Lochungen unterschiedlich lang sind. Auch die Folge, wie sich diese beiden Lochungen abwechseln, sind unterschiedlich. Philipps kann so also auch ungefähr eine mittlere Lautstärke einstellen.
Die Funktion
Schweller Bild 1
Betrachten wir einmal Bild 1. In die hinteren zwei Löcher bringen Rohre das ungeregelte Vakuum von den Schöpfbälgen und Magazinbalg und es strömt hier in die hintere Kammer. An den vorderen zwei Löcher sind die Rohre angebracht für das geregelte Vakuum, das in der vorderen Kammer herrscht, sie führen hauptsächlich zu den Windladen. Auf der unteren Seite sehen wir den Betonungsbalg, der an einer starken Zugfeder hängt. Auf der oberen Seite befindet sich der Steuerbalg, der hier abgefallen ist, also in Stellung leises Spiel, schwaches Vakuum.
Wie diese Betonung funktioniert, sehen wir anhand Bild 2. Der Steuerbalg ist durch ein kleines Klötzchen etwas angehoben, damit der Schlitz gut sichtbar wird. Dieser Steuerbalg ist mit dem Fensterschieber B verbunden. Man sieht deutlich den dunklen Schlitz C, der in die hintere Kammer führt, die nicht sichtbar ist und in der volles Vakuum herrscht. Das Vakuum strömt durch diesen Schlitz in die vordere Kammer und auch in den Betonungsbalg, welcher mit dem Schieber A verbunden ist. Der Betonungsbalg zieht sich zusammen, wobei sich die Zugfeder (Bild 1) spannt. Je stärker die Feder gespannt wird, desto grösser ist das herrschende Vakuum. Durch die Verbindung mit dem Schieber A wird der Schlitz verkleinert, je mehr sich der Balg zusammen zieht. Nebenbei sei bemerkt, dass diese vordere Kammer mit abgenommenem Deckel fotografiert ist. Der Federbügel drückt bei aufgesetztem Deckel auf den Schieber A und dieser  seinerseits auf den Fensterschieber B, damit die Sache dicht ist.
Schweller Bild 2
Wie wird jetzt geregelt? Es ist eigentlich eine einfache Sache. Werden beim Spiel gleichzeitig viele Bälge benutzt, das Klavier „verbraucht also viel Luft“, so fällt das Vakuum in der vorderen Kammer etwas zusammen. Dadurch fällt der Betonungsbalg etwas ab, der Schieber A geht nach unten, der Schlitz C wird etwas grösser und die Einheit liefert mehr Vakuum. Umgekehrt, nehmen wir an es ist eine Spielpause auf der Rolle, es wird wenig Vakuum verbraucht. Das Vakuum wird grösser, der Betonungsbalg wird etwas mehr zusammengezogen, d.h. der Schlitz wird kleiner und es kann weniger Vakuum zu den Windladen gelangen.
Soll das Spiel lauter werden, so wird der Steuerbalg betätigt. Er zieht sich zusammen und der Fensterschieber B geht nach oben. Der Schlitz wird momentan grösser und es kann mehr Vakuum in die Windladen gelangen. Der Betonungsbalg zieht sich mehr zusammen, die Feder wird stärker gespannt bis der Schieber A soweit nach oben geht, bis wieder die benötigte Schlitzbreite vorhanden ist. Das Vakuum wird also erhöht, weil die Feder mehr gespannt ist. Der Regelvorgang bleibt der selbe, wie beschrieben. Das Zusammenspiel von Schlitzbreite und Windverbrauch hängt also voneinander ab. Es ist hier gut ersichtlich, dass bei einem schlecht restaurierten Instrument, das viel Vakuum verbraucht, dieser Schlitz immer sehr breit ist. Kommt dann der Befehl für lautes Spiel, geht der Schieber B nach oben, der Schlitz wird einfach breiter, der Schieber A kann nicht mehr nach oben, da die Bälge nicht genug Vakuum liefern können und das Spiel bleibt gleich laut (leise).
Die Anschauung mit dem Vakuum, das kommt und geht, ist natürlich so eine Anschauungsversion und hält den physikalischen Gesetzen nicht stand. Für mich ist diese Erklärung am einfachsten.

                            Hans Kunz.