Eine Plattenspieldose etwas näher betrachtet (anhand eines Polyphons 20.5 cm).

Ich bin sicher, dass sie als Leser dieses Beitrages den Unterschied von einer Plattenspieldose zu einer Walzenspieldose mit verbundenen Augen nur schon vom Klang her erkennen. Das ist erstaunlich, handelt es sich doch bei beiden Geräten um Kammspielgeräte. Das heisst also, die Technik wie der Kamm angezupft wird spielt eine grosse Rolle.
Nimmt man die Platte ab und schaut auf das Gerät, so fällt der Kamm auf und die Einheit mit den Sternrädchen welche die Zähne anzupfen. Eher verborgen bleiben die Dämpfer welche die Kammzähne von der Seite her dämpfen. Diesen Teil möchte ich ein wenig näher anschauen.
Dämpfereinheit
Bild 1: Dämpfereinheit

Auf Bild 1 sieht man die ausgebaute Dämpfereinheit welche aus zwei Teilen besteht. Die längeren Federn sind die eigentlichen Dämpfer welche die Schwingungen der Kammzähne bremsen. Die kurzen Federn bremsen die Sternräder, damit sie durch die Nocken der Blechplatte kontrolliert weitergeschoben werden. Da die Sternräder recht locker auf der Achse und in den Führungen montiert sind, könnten sie durch die Vibration der Musik und andere Einflüsse in eine unkontrollierte Stellung geraten. Als Folge davon könnte sich z. B. die Platte verklemmen. Hat man ein Stück gespielt, nimmt die Platte vorsichtig ab, sind die Sternräder alle in einer Reihe einigermassen ausgerichtet, dann funktionieren die „Bremsen“ (Bild 2).
Bild 2
Bild 2: Ansicht bei abgenommener Platte

Nimmt man eine dünne Stricknadel aus Kunststoff, Bambus oder Aluminium und bewegt die Sterne in Richtung wie sie durch die Platte geschoben werden, so sollte das nicht allzu streng gehen. Haken sie in gewissen Stellungen an, so ist Vorsicht geboten. Vermutlich hängen sie dann unten an der Nachbardämpfung an. Wird das schlimmer, so muss mit Beschädigung der Platte oder auch der Dämpfer gerechnet werden. Auf Bild 3 sieht man wie die Bremsfeder auf das Sternrad und die Dämpfungsfeder auf den Zahn des Kammes drückt. Der Dämpfungsvorgang geht folgendermassen vor sich: Erfasst ein Nocken der Blechplatte die Spitze eines Sternrades, so wird der Stern gedreht und zupft mit seiner hinteren Spitze den Zahn des Kammes an. Während die Platte weiterdreht schwingt der Zahn des Kammes und der Nocken verlässt das Sternrad. Kommt der nächste Nocken der Platte und erfasst die nächste Spitze, so fällt der Dämpferarm mit seiner Biegung in die Lücke des Sternrades, der Zahn wird an der Seite berührt und hört auf zu schwingen. Das Sternrad wird weiter gedreht und der Zahn wird wieder angezupft u. s.w.
Seitenansicht
Bild 3: Seitenansicht

Da die Dämpfer nicht an den Zähnen angebracht sind wie bei den Zylinderspielwerken, muss beim Ersatz der Dämpfung das Werk nicht neu gestimmt werden. Eine weitere Vereinfachung betrifft die Stimmung selbst. Die Firmen hatten seinerzeit ihre Modelle standardisiert. Man weiss also welches Modell wie gestimmt ist. Das ist bei den Walzenspieldosen ganz individuell. Es gibt so freundliche Menschen, die schleifen den rostigen Kamm oben ab. Er sieht dann aus wie neu, ist aber verstimmt. Bei den Walzenspieldosen ist das dann ein Problem um die Stimmung wieder zu finden. In Abb. 4 sieht man die Stimmung der hier beschriebenen Plattenspieldose. Entnommen ist sie aus dem Buch «The Disc Musical Box» von Kevin A. McElhone, welches mir freundlicherweise von Markus Fuchs zur Verfügung gestellt wurde. Die so publizierte Tonfolge bezieht sich auf den Ton A bei einer Frequenz von ca. 550 Hz. Es fallen die vielen Doppeltöne auf welche für schnelle Tonfolgen oder auch für eine Nuancierung  verwendet werden können. Zählt man die Doppeltöne nur für einen Ton, so sind es anstatt 40 Töne nur noch deren 28. Mit den zwei Fis ist der Tonumfang dann etwa ähnlich wie bei einer Baum-Baci Drehorgel mit 26 Tönen. Es handelt sich hier also um ein kleines Werk, doch die Bauart ist etwa gleich wie bei grösseren Werken. Unterschiede gibt es natürlich bei den verschiedenen Herstellern. Man kann die Plattenspieldose nicht nur als eine neue Erfindung sondern durchaus als eine Weiterentwicklung der Walzenspieldose betrachten. Nun wünsche ich ihnen viel Musse beim Hören des schönen Klanges.
Hans Kunz Feb. 2020
Tonumfang
Bild 4: Tonumfang