Bau eines Marantz Pianocorder Vorsetzers

Einleitung
Als Freund der Unterhaltungsmusik habe ich bei einem meiner Kollegen, welcher ein Klavier basierend auf dem 88-er System besitzt, immer wieder gestaunt welche Vielfalt von Musik auf diesen Rollen angeboten wird. Einige Rollen nuancieren ganz gut und im Grunde wünschte ich mir eigentlich auch ein 88-er Klavier. Da aber in unserem Hause bereits zwei Klaviere mit anderen Systemen herumstehen und ich auch diese schätzen gelernt habe, würde ein drittes Klavier den Rahmen eines Reiheneinfamilienhauses sprengen. Dies findet jedenfalls meine Ehefrau und sie hat schon ein bisschen Recht. Bei Diskussionen mit einem anderen Kollegen meinte er, auf mein eigentlich unwichtiges Dilemma angesprochen: „Ein Marantz Pianocorder, das wäre etwas für dich, dieses System gibt es auch als Vorsetzer, ich hätte noch einen Bausatz, aber leider nicht für einen Vorsetzer“. Als Bastler schwebte mir natürlich sofort ein Umbau durch den Kopf. Nach einiger Zeit, mit Unterlagen versehen und einigen Ueberlegungen hatte ich das Gefühl das müsste zu machen sein. Der Handel kam zu Stande und nachfolgend möchte ich den Umbau beschreiben.

Der Pianocorder Bausatz
Folgendes Material habe ich erhalten:
1 Aluminiumplatte mit 85 Hubmagneten
6 Elektronikplatten
1 Kassettengerät
1 Speisegerät 110 Volt
2 kräftige Hubmagnete für die Pedalbedienung
Diverse Verbindungskabel

Das Gestell
Mir schwebte eine Leichtbauweise vor, die ich auch einfach transportieren kann. So habe ich mit Winkeleisen und Vierkantrohre einen Gestellunterteil auf kleinen Lenkrollen zusammenschweissen lassen und einen Gestelloberteil mit den Magneten gebaut. Der Gestelloberteil ist in den Unterteil hineinsteckbar und kann so für den Transport herausgenommen werden. Auch ist dadurch die Höhe zur Tastatur einstellbar. Bei Nichtgebrauch kann der Oberteil heruntergelassen werden und der Vorsetzer unter den Klaviaturkasten geschoben werden.

Gesamtansicht

                             Gesamtansicht


Montage der Magnete

Da beim Vorsetzer die Magnete von oben nach unten auf die Tasten wirken  müssen die Magnetkerne mit einer Zugfeder aufgehängt oder mit einer Druckfeder nach oben gehalten werden. Die Firma Marantz hat dies bei ihrem serienmässig hergestellten Vorsetzer P 200 mit einer konischen Druckfeder gelöst. Ich habe bald gesehen, dass die Anfertigung einer solchen speziellen Feder mit erheblichen Kosten verbunden wäre und so habe ich mich entschlossen die Magnetkerne mit einer serienmässig hergestellten Zugfeder 0.32x4x19 mm an einer Leiste aufzuhängen. Zu diesem Zwecke habe ich die Magnetkerne am hinteren Teil mit einem 2 mm Messingstängeli, welches mit 0.8 mm angebohrt ist versehen. In diesem 0.8 mm Loch sind die Zugfedern eingehängt. Die andere Seite der Federn ist an einer Messingschraube M3x12 mm befestigt. Somit kann die Federkraft eingestellt werden. Je nach Montageort müssen die Federn mit einem dünnen Draht verlängert werden. Damit die schwarzen sowie die weissen Tasten mittig gedrückt werden können, müssen die Magnete versetzt montiert werden. Zu diesem Zwecke habe ich Aluminium Distanzbolzen Durchmesser 10x25 mm gefertigt. Da die Platzverhältnisse eng sind mussten bei gewissen Bolzen eine Fläche angefräst werden. Um die schwarzen Tasten zu drücken, sind die mitgelieferten Puppen zu klein. Anstelle habe ich Aluminiumpuppen Durchmesser  12x8 mm gefertigt und mit ca. 4 mm Filz belegt.

                                                                                                                                Teile      

                                                                                                                                                 Neu gefertigte Teile

Reinigen der Magnete
Mit dem Testtonband habe ich bemerkt, dass die Empfindlichkeit und das Repetiervermögen der Magnete sehr unterschiedlich sind. Um dies zu testen, habe ich einen Impulsgeber zusammengelötet mit welchem über ein Relais den Magneten eine externe variable Spannung zugeführt werden kann. Damit konnte ich herausfinden, bei welcher Spannung die besten Magnete noch einwandfrei funktionieren. Die Repetierfrequenz habe ich auf 10 Hübe pro Sekunde eingestellt. Anschliessend wurden die schlechten Magnete gereinigt. In den Löchern (Messingrohr) findet mit der Zeit eine Oxidation statt. Gute Dienste hat mir dabei ein Gewehrputzzeug der Schweizer Armee geleistet (Kaliber 7.5mm). Mit dem Kupferbürsteli und dem normalen Bürsteli können so die Löcher der Magnete gut „durchgefegt“ werden. Die Magnetkerne sind original mit einem Graphitlack behandelt. Teilweise musste ich die Oberfläche mit einem feinen Schmirgeltuch (Poliertuch PO) behandeln. Anschliessend erhielt ich die besten Resultate, indem ich die Oberfläche noch mit einem Graphitstift behandelt habe. Diese Arbeit war eine Pröbelei bis ein befriedigendes Resultat entstand. Irgendwo habe ich gelesen, dass man die Magnetkerne nicht oelen sollte. Mit Versuchen habe ich bemerkt, dass man diesen Tipp unbedingt befolgen muss.

                                                                                                                                                                                                                                   Magnete

                                                                                                                                                                                                                                           Anordnung der Magnete

Pedalmechanik
Um flexibel zu sein, habe ich die Pedalmechanik variabel ausgestaltet.  Alles ist in einem gewissen Bereich seitlich und in der Höhe verstellbar und die Elemente einfach abschraubbar. Auch ist der Hub einstellbar indem die Magnete weiter nach vorn oder nach hinten geschoben werden. Alles ist gut sichtbar in der Abbildung. Damit sich nicht die Magnete heben anstatt die Pedale niederzudrücken ist alles unter dem Tastenkasten mit einer abgesägten, federnden Bücherstütze verspannt.
                        Pedalbedienung                                                                                                 Pedalmechanismus                        
            Element zur Bedienung der Pedale, mit einer  befilzten Holzrolle versehen                                                                                       Pedalmechanismus

Elektronik
Die Elektronikplatten sind mit Winkel direkt hinter den Magneten montiert. So waren fast alle mitgelieferten Verbindungskabel lang genug und nur ein Kabel musste etwas verlängert werden. Hinzu ist einzig ein Transformator gekommen, da alles auf 110 V~ ausgelegt ist.

Diverses
Damit die Konzerte möglichst geräuscharm genossen werden können habe ich eine Haube aus dünnem Abfallholz zusammengeleimt und mit Versuchen gesehen, dass die Haube mit einer Wolldecke ausgeschlagen am besten dämpft. Ich bin sehr zufrieden mit dem Resultat, würde aber gewisse Details anders konstruieren. Falls jemand auch solch einen Vorsetzer bauen möchte, bin ich gerne bereit genauere Angaben zu liefern. Auch könnte man natürlich noch geeignetere Materialien verwenden. Teilweise habe ich einfach Material verwendet, welches ich noch im „Vorratskasten“ gefunden habe. In Amerika ist es scheinbar schon noch möglich, einen Bausatz zu erwerben. Unbedingt mitteilen möchte ich, dass der Vorsetzer gegenüber der eingebauten Version folgenden Nachteil hat: Die Magnete werden mit einer Frequenz von ca. 200 Hz angesteuert und wenn die Magnete die Tasten auf die Druckscheiben im Klavier drücken, so hört man das hauptsächlich bei langen Tönen, wenn die Saiten ausgeklungen sind. Wie man dieses Problem optimieren kann und einiges über die elektrische Funktion sowie über die Kassetten und midi möchte ich in einem nächsten Artikel berichten.

                               Januar 2012, Hans Kunz.